Was tun gegen Hatespeech?

Kommunikation – auch digitale – bedeutet Kontaktaufnahme, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Bindung. Digitale Austauschräume ziehen aber auch die dunkle Seite menschlicher Kommunikation an: Abschätzigkeit, Missachtung, Entwürdigung, ja Verachtung und Hass. Alle Plattformen, die offenen Austausch ermöglichen, haben ein Problem mit destruktiver Kommunikation. Ob Facebook, Twitter oder Wikipedia – neben Kommunikation, die gelingt und Brücken baut, gibt es immer auch Kommunikation, die destruktiv ist, Brücken einreißt, Hürden aufbaut und übergriffig und angreifend ist. Überall im Digitalen gibt es diese Ecken, Räume und Bühnen, auf denen ein rauer und rüder Umgangston herrscht, wo barsch, abwertend und verächtlich gesprochen und geschrieben wird. Hatespeech ist das vielleicht noch nicht, aber es bereitet dafür Raum und Nährboden.

Wie sollen wir damit umgehen? Wie gelingt es uns, im Digitalen ein positives Kommunikationsklima zu etablieren, das wertschätzend und konstruktiv ist? Wir können wir es bei aller Freiheit fördern, sachlich und offen, zugewandt und aufmerksam zu sein?

Destruktive Kommunikation hat nichts mit Kritik zu tun

Ganz wichtig scheint mir im ersten Schritt diese Feststellung: Destruktive Kommunikation hat nichts mit Kritik oder mit Meinungsverschiedenheit zu tun. Dies sind nur die Schutzschilde, hinter denen sich destruktive Kommunikation verbirgt und bewegt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, völlig anderer Meinung als jemand anders zu sein und dies auch offen zu äußern. Es ist nichts dagegen einzuwenden, Grenzen zu setzen und Positionen und Äußerungen klar abzulehnen. Wir werden uns keine digitale Gesellschaft vorstellen wollen, in der alle einer Meinung sind. Man kann vollkommen unterschiedlicher Meinung sein, dies auch klar und unmissverständlich sagen und trotzdem sachlich-konstruktiv bleiben.

In guten Kindergärten und Elternhäusern lernen Kinder den feinen aber entscheidenden Unterschied zwischen “Was du machst ist doof” und “Du bist doof”. Dies – unabsichtlich oder mit Absicht – zu verwechseln, ist ein Nährboden für Hatespeech. “Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!”, ist deshalb ein weiteres klassisches Schutzschild, hinter dem sich destruktive Kommunikation verbirgt.

Wer setzt den Ton?

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass digitale Kommunikation oft in einer Bühnensituation stattfindet. Auch wenn z.B. Löschdiskussionen in der Wikipedia und Kommentare bei Facebook sich im halböffentlichen Raum bewegen, so sind diese Gespräche doch Teil des jeweiligen spezifischen Kommunikationsklimas. Jede digitale Kommunikation hat also zwei Seiten: eine individuelle und eine allgemeine, prototypische.
In Hinblick auf die gruppendynamische Wirkung ist die entscheidende Frage: Wer setzt den Ton? Oder besser: Welchen Ton setzen wir? Jeder, der an einer digitalen Kommunikation teil hat – als Akteur oder als Beobachter – hat also Verantwortung für das prototypische Kommunikationsklima in diesem digitalen Kommunikationsraum. Das wiederum bedeutet: Im Kampf gegen Hatespeech sind Verantwortung und Zivilcourage gefragt. Von allen. Auch und gerade von denen, die nur zusehen.

Eine kleine Lektion im Umgang mit destruktiver Kommunikation

Wie soll so etwas in der Praxis aussehen? Ein perfektes prototypischen Beispiel bekam ich neulich an unerwarteter Stelle vorgeführt: In einer Kochshow im Privatfernsehen. Juroren verkosten und bewerten, was die Kandidaten gekocht haben. Es geht also tatsächlich um Bewertung, um Kritik, darum was die Juroren gut oder schlecht finden. Doch wo hört die Kritik auf und wo fängt abwertende, destruktive Kommunikation an?

http://www.sat1.de/tv/the-taste/video/45-ein-handfester-streit-clip  (Quelle)

Den Juroren schmeckt das Essen nicht, sie sagen das auch alle. Einer ergänzt aber, es schmecke wie “alter Socken mit Mayo”, was den Juror-Kollegen Trettl empört und wogegen er sich entschieden verwahrt.

Dieses kleine Szene beantwortet exemplarisch alle wichtigen Fragen im Umgang mit destruktiver Kommunikation:

Ab wann soll man reagieren?
> Schon ganz frühzeitig, schon bei destruktiven Aussagen, nicht erst bei Hatespeech (wehret den Anfängen)
Warum?
> Weil die destruktive Kommunikation sonst den Ton für den Rest der Kommunikation setzt.
Wie soll man destruktiver Kommunikation entgegentreten?
> Frühzeitig. Gesichtswahrend, aber entschieden und nachdrücklich.
Soll man sich von “Das wird man doch wohl noch sagen dürfen”-Beschwichtigungen davon ablenken lassen?
> Nein.

Der Koch Roland Trettl macht in diesem Filmausschnitt vorbildlich vor, wie das geht. Chapeau!
Und Danke für dieses kleine Lehrstück.

 

 

 

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