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Interview zu IDA und digitalem Arbeitsschutz

Das Slow Media Institut – Medienkompetenz in digitalen Zeiten

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Das Interview wurde von Anja Kaup (ICOM) geführt. Hier ist der Link zur Originalquelle.

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Das Slow Media Institut mit Sitz in Bonn steht für interdisziplinäre Forschung und Beratung zum Medienwandel. Ziel ist, angemessene Reaktionen auf die Medienrevolution im 21. Jahrhundert zu entwickeln – sie politisch, kulturell und gesellschaftlich zu integrieren und konstruktiv zu nutzen. Dazu bieten die drei Gründer, Sabria David, Jörg Blumtritt und Benedikt Köhler, Seminare und Workshops für Unternehmen an und gehen Forschungsfragen nach. Das Institut war 2012 Partner des Wissenschaftsjahrs zum Thema Nachhaltigkeit.

Sabria David nahm sich Zeit für ein ausführliches Interview mit uns. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin der von ihr 2000 mitgegründeten Kommunikationsagentur TEXT_RAUM, die Unternehmen und Institutionen berät und Markennamen, neue Erzählformen und Digitalstrategien entwickelt. Sie studierte Germanistik, Linguistik und Kunstgeschichte und forscht zu Phänomenen des Medienwandels, publiziert und verknüpft Kommunikationslehre, Kulturgeschichte, Philosophie, Managementtheorien und Wirtschaftsethik.

Sabria David, Mitgründerin und Leiterin des Slow Media Instituts

ICOM: Frau David, Sie vergleichen Slow Media auf Ihrer Webseite mit Slow Food. Worum geht es bei Slow Media und worin liegt die Analogie?

Sabria David: „Slow Food“ entstand als Gegenbewegung zu „Fast Food“. Slow Food zielt auf die Haltung ab, mit der man dem Essen begegnet. Es geht nicht um Geschwindigkeit – also z.B. eine Gurke besonders langsam zu schneiden. Slow Food richtet sich gegen die maschinistische Produktion von Essen ohne Bindung, ohne Bezug, es ist Teil einer ganzheitlichen Geschichte, eine bewusste Haltung in der Nutzung und Produktion von Lebensmitteln. Außerdem geht es bei Slow Food um das Zubereiten und Teilen, das gemeinsame Essen – also um einen sozialen Aspekt.

Diese Grundhaltung ist die Analogie zu Slow Media. In „Slow“ steckt eine verantwortliche, ganzheitliche Haltung – auch bei der Nutzung von Medien. Man sollte die Geschwindigkeit, die die neuen Medien ermöglichen, bewusst nutzen, wenn es sinnvoll ist. Zwischen zwei roten Ampeln Gas zu geben ist zum Beispiel nur bedingt sinnvoll. Man sollte beim Fahren besser immer die ganze Strecke im Blick haben.

ICOM: Was führte zur Gründung des Slow Media Instituts? Und worin bestehen die Aufgaben Ihres Instituts?

David: Vor drei Jahren verfassten Benedikt Köhler, Jörg Blumtritt und ich das „Slow Media Manifest“. Die globale Resonanz darauf war riesig. Schon am ersten Tag der Veröffentlichung kam die Bitte, es auf Englisch zu übersetzen. Nach zwei Wochen war es bereits auf Französisch übersetzt worden. Es gibt auch eine russische, ukrainische, italienische und brasilianische Übersetzung. Wir schienen einen neuralgischen Punkt getroffen zu haben. Die Rückverfolgung der Backlinks zeigte, dass das Manifest v.a. von den technisch weit entwickelten Ländern auf der Nordhalbkugel aufgenommen wurde, in Nordamerika, Kanada, China, Russland, Europa, Türkei, Israel, China, Indien, aber auch Brasilien, Südafrika und Australien. Alles technologisch fortgeschrittene Länder, die sich fragen, wie man diesen Fortschritt sinnvoll integriert. Das Manifest erfuhr eine starke Resonanz über alle Kulturen hinweg.

Wir sahen daher einen Bedarf, diesen Prozess der Integration zu unterstützen: Wie kann man technologischen Fortschritt sinnvoll nutzen, ohne dass er die Menschen überlastet? Es lohnte sich, an dieser Stelle weiter zu forschen und Unterstützung in Form von Beratung und Seminaren anzubieten. Das war der Grundstein des Slow Media Instituts.

ICOM: Was hat Slow Media mit den Sozialen Medien zu tun?

David: Es geht um die Frage, wie man die Sozialen Medien nutzt und wofür. Bei Kommunikation geht es um Bindung, Bezug und Identität. Wie kann man „anschlussfähig“ sein und wie „bindungswillig“ sind z.B. die Mitarbeiter. Die Sozialen Medien sind ein sehr gutes Instrument, sie stellen Strukturen und Techniken zur Verfügung, die geeignet sind, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Aber die Schwelle zur Übernutzung ist schnell erreicht.
Für den Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements haben wir ein Modell zum digitalen Arbeitsschutz entwickelt: das „Interaktionsmodell Digitaler Arbeitsschutz“ (IDA). Wenn keiner mehr aus dem ganzen „Rauschen“ das Wichtige oder für ihn Relevante rausfiltern kann, ist es Zeit für digitalen Arbeitsschutz.

Wie das mediale Klima in Unternehmen verbessert werden kann, ist eine Frage, die alle Branchen betrifft, Großunternehmen und den Mittelstand. Studien von AOK, BKK und der Stressreport des Arbeitsministeriums nennen drei Gründe für die Überlastung von Mitarbeitern: Flexibilisierung, Grenzaufhebung zwischen Arbeit und Freizeit und ständige Erreichbarkeit

In unserem Modell gibt es drei Ebenen. Verantwortliches, gesunderhaltendes Handeln kann auf diesen drei Ebenen auf das Unternehmen einwirken:

1.    Individuelle Nutzung
2.    Absprache auf Teamebene
3.    Führungsebene

Wenn alle drei Ebenen zusammen wirken, kann ich ein gutes Arbeitsklima erreichen. Im Sinne von Slow Media brauche ich Phasen der Fokussierung und Versenkung. Ein Mitarbeiter braucht diese Phasen, um konzentriert eine Aufgabe bearbeiten zu können. Die Konzentration auf eine Sache liegt im Nutzungsverhalten des Einzelnen, also auf der ersten Ebene. Auf der zweiten Ebene ist es sinnvoll, das mit dem Team abzusprechen und auf der dritten Ebene benötigt es die Rückendeckung der Führung.

Für ein gesunderhaltendes Führungs- und Kommunikationsklima sind Vertretungsregelungen und klare Absprachen wichtig. Diese Dinge sind in der Gesellschaft aber noch nicht ganz durchdacht worden. Wir haben noch keine Kulturtechnik dafür entwickelt, dass die neue Technik „immer an“ ist, immer funktioniert. Wir müssen den Fokus stärker auf unser verantwortliches Handeln legen, auf reflektierte statt reflexhafte Nutzung.

ICOM: Sie bieten Seminare und Workshops für Unternehmen an zu Themen wie „Web 2.0 und Improvisation: Einführung in eine neue Kommunikationskultur“ oder „Entschleunigung am Arbeitsplatz – Slow Media als Burnout-Prävention“ und „Entschleunigung als Führungsaufgabe“. Welche Erfahrungen machen Sie in diesen Seminaren?

David: Die Erfahrung die ich mache ist die, dass sich im Umgang mit den Medien in einem Unternehmen die gesamte Unternehmenskultur abbildet. Er wirkt wie ein Brennglas auf den Aspekt des Arbeitens, daher kann man hier fokussiert auf den drei Ebenen ansetzen.

Betrachten wir die individuelle Nutzerrolle, die klar gemacht werden muss. Die gelernte Kulturtechnik beim Medium Brief lautet: bei Eintreffen Brief öffnen, lesen und bearbeiten. Das ist für das Medium Brief eine adäquate, gelernte Kulturtechnik, da die Briefe einmal morgens eintreffen.
Beim Medium E-Mail wird die gleiche Kulturtechnik angewandt. Aber die E-Mail kommt nicht nur morgens, sondern ständig. So kommt man nicht mehr zum konzentrierten Arbeiten. Man muss mit E-Mails anders umgehen als mit Briefen.
Ein Wiki oder ein gut strukturiertes Intranet können gegen diese E-Mail-Flut helfen. Noch ist die E-Mail aber der Regelfall und es gibt eine große Scheu vor diesen neuen Techniken. Dabei wäre es für alle sinnvoller, diese kollaborativen Tools besser zu nutzen.

Eine interne Studie beim französischen Unternehmen Atos zeigte, dass sich die Mitarbeiter 25 Stunden wöchentlich nur mit dem Abarbeiten von E-Mails beschäftigen. Daher hatte sich das Unternehmen entschlossen, interne E-Mails abzuschaffen. Ich bin gespannt, wie sich dieses Projekt entwickelt. [Anmerkung: Wir berichteten dazu in unserem ICOM-Blogbeitrag „Befreiung der Mitarbeiter oder das Ende der E-Mail]

Die E-Mail verleitet dazu, sie reflexhaft zu nutzen, weil es so einfach und leicht ist, sie weiterzuleiten. Dieses reflexhafte Weiterleiten, noch dazu an möglichst viele Leute in cc: ist aber nicht sinnvoll. Besser wäre es, erst einmal inne zu halten und zu überlegen, wer welche Information wirklich braucht und ob es besser wäre, noch einen Tag mit der Weiterleitung zu warten, bis weitere, relevante Informationen zusammengekommen sind.
Ein Drittel der E-Mails lassen sich ohne Verlust einsparen. Diese neue Nutzungskompetenz lässt sich durch Weiterbildung lernen.

ICOM: Bekommen Sie Rückmeldungen von den Teilnehmern? Lässt sich „Slow Media“ im Unternehmensalltag leben, wenn man weiß, wie?

David: Als individueller Nutzer kann man viel verändern, wie man mediale Signale empfängt und weiterleitet und auch auf Teamebene lässt sich viel vereinbaren. Und Führungskräfte haben einen großen Einfluss auf das mediale Klima eines Unternehmens.

An dieser Stelle sind natürlich Begleitstudien sinnvoll, um den Prozess steuern und optimieren zu können. Wir haben einen Zertifizierungsprozess in Planung, um im Bereich digitaler Arbeitsschutz auditierbare Standards zu setzen. Als Unternehmen kann ich mich auch fragen, wo ich dieses Thema im Unternehmen sichtbar werden lassen kann.
Unternehmen wie VW und Daimler haben z.B. neue Regeln als Unternehmen gesetzt. Bei VW gilt, dass am Wochenende keine E-Mails mehr rausgeschickt werden. Bei Daimler dürfen die E-Mails gelöscht werden, die während des Urlaubs ankommen. Dafür werden aber klare Vertretungsregelungen benötigt.

Ich stelle in meinen Seminaren fest, dass es wenig klare Vereinbarungen gibt. Bei einem Diensthandy ist oft nicht klar geregelt, was das Unternehmen von seinem Mitarbeiter erwartet. Es gibt Mitarbeiter, die in ihrer Freizeit gut abschalten können, andere Mitarbeiter schauen aber auch in ihrer Freizeit immer wieder nach, was im Unternehmen passiert.

Vor allem das Smartphone ist eine ganz frische Technologie. Erst 2007 kam das erste marktfähige iphone auf den Markt. Heute haben wir bereits weltweit eine Milliarde Smartphone-Benutzer. Da ist klar, dass wir die Nutzung noch nicht gelernt haben.

ICOM: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Entwicklungen wie z.B. dem Klout-Wert?

David: Das kann eine große Falle sein. Es muss klar sein, dass das Revier in ungeahntem Ausmaß ausgeweitet wurde. Selbst in Unternehmen, die von einer starken Präsenzkultur gekennzeichnet sind und sich Erfolg in besonders langen Arbeitstagen ausdrückt, kann man irgendwann nach Hause gehen – im Bewusstsein, sein Revier verteidigt zu haben. Aber das digitale Revier ist nie zu Ende. Ich habe dafür den Begriff „Revierstress“ eingeführt. Dem muss man sich selbst entziehen und das verlangt eine hohe Souveranität.

Das Thema Medienkompetenz ist auch bei jungen Leuten ein großes Thema. Hier herrscht ein großer Druck, das soziale Revier im Auge zu behalten. Mein Wunsch wäre, von Schulen zu diesem Thema eingeladen zu werden.

Im Mediendiskurs nehmen wir eine Position zwischen Alarmismus (wir und unsere Kinder verdummen durch das Internet) und den Apologeten ein (das Internet ist die Lösung für alles).

ICOM: Wenn wir nach den Rezensenten jetzt auf die „Produzenten“ von Informationen blicken – auf welche Qualitätskriterien können/sollten Mitarbeiter der Internen Kommunikation bei der Produktion von Medien Ihrer Meinung nach achten?

David: Die Produzenten in der Internen Kommunikation sollten sich immer bewusst machen, dass sie zu einem Gegenüber sprechen, bzw. Teil eines Gesprächs sind, bei dem es um Innovation, Inspiration und Improvisation geht. Man darf sich nicht nur als Produzenten von Informationen sehen, sondern lieber als jemanden, der einen Ball in die Luft wirft, sieht was zurück kommt und dann wieder entsprechende Informationen beisteuert. Um das Informationsrauschen zu filtern muss man sich selbst als guten Filter verstehen und sich bewusst darüber sein, dass man mit seinem Handeln etwas bei anderen verursacht. Informationen müssen also so produziert werden, dass sie Nutzen und kein Rauschen bringen.

Die Rolle der Internen Kommunikation ändert sich, sie entwickelt sich weg davon, nur Informationen zu liefern. Interne Kommunikation ist der soziale Kitt, der die Mitarbeiter einbindet und sie als Teil des Ganzen fühlen lässt.

Um alle Mitarbeiter einbinden zu können, werden die unterschiedlichen Kulturkonzepte noch eine Zeitlang parallel laufen. Mitarbeiterzeitungen, Wandzeitungen oder Schwarze Bretter können gerade im digitalen Zeitalter ein wichtiger Gegenpart sein. Die Medien müssen nur zueinander passen und gut abgestimmt sein.

Besonders wichtig ist, dass man bei den Sozialen Medien das Verpassen lernt. Bisher verlangt die Unternehmenskultur, dass jeder alles mitbekommen muss. Mit dieser Haltung kann man kein Soziales Netzwerk einführen. Soziale Netzwerke sind keine Memos, die jeder gelesen haben muss. Das muss klar sein. Besser ist es, diese als Archiv zu sehen. Die neuen Medien stoßen oft auf Befremden, weil sich Mitarbeiter genötigt fühlen, „das auch noch zu machen“.

ICOM: Als Ausblick: welche Ihrer Forschungsfragen beschäftigt Sie zur Zeit am meisten?

David: Wir bearbeiten Forschungsfragen in Kooperation mit Instituten und Unternehmen. Die Themen, die wir auf unserer Seite veröffentlicht haben, sind Themen, die nahe liegen, sinnvoll und denkbar sind.

Für mich ist das Thema Digitaler Arbeitsschutz gerade das wichtigste Thema. Dieses Thema ist für Unternehmen, Kranken- und Unfallkassen, Betriebsräte und Betriebsärzte interessant.

Das andere Thema ist, wie wir als Gesellschaft mit diesen Veränderungen umgehen können. Ich forsche zu offenen Systemen und offenen Formaten, die die Antwort auf den permanenten Wandel sind. Wikipedia ist z.B. die Antwort auf den schnellen Wandel, der gedruckte Lexika gleich veralten lässt. Das Daimler Blog von Uwe Knaus ist ein dynamisches, diskursives Format, das erste Corporate Blog eines DAX30 Unternehmens, das reaktionsschnell aktuelle Entwicklungen und Diskurse abbilden kann und eine nachhaltige Resonanz der Unternehmenskultur ist.

ICOM: Frau David, wir bedanken uns ganz herzlich, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch genommen haben und wünschen Ihnen bei Ihren weiteren Forschungen viel Erfolg!

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Das Interaktionsmodell Digitaler Arbeitsschutz (IDA)

(Weiterführende Informationen finden Sie auf unserem
Fachportal zum Digitalen Arbeitschutz unter www.digitaler-arbeitsschutz.de
sowie in dieser Fachpublikation)

Wie im Brennglas bildet sich in der Nutzung digitaler Medien das Kommunikations- und Führungsklima eines Unternehmens ab. Am Slow Media Institut wurde ein Beratungsmodell aus medienwissenschaftlicher Perspektive entwickelt, das den verantwortlichen und gesunderhaltenden Umgang mit digitalen Medien im Arbeitsumfeld und damit ein positives Leistungsklima in Unternehmen fördert. Der Slow Media Ansatz zeigt sich dabei als geeignetes diagnostisches Werkzeug und Handlungsinstrument, so dass Gefährdungen realistisch eingeschätzt und konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden können. Der Slow Media Beratungsanstz basiert inzwischen auf der repräsentativen sozialwissenschaftlichen Studie “Slow Types”, die Wünsche, Bedürfnisse und zukunftsrelevante Kompetenzen wie Fokussierung, Austausch, Bindung, Qualität, Nachhaltigkeit und Progressivität anhand von Mediennutzunsgvariablen erschließt.

Digitaler Arbeitsschutz: Weiterbildung und Beratung

Das Interaktionsmodell Digitaler Arbeitsschutz (IDA) wurde von Sabria David entwickelt und bildet die theoretische Grundlage für die Beratung und Weiterbildung des Slow Media Instituts im Bereich medialer Gesundheitsprävention. Der verantwortungsvolle und gesunderhaltende Umgang mit Flexibilität, Verfügbarkeit und digitalen Medien ist erlernbar. Möglichst frühe und gezielte Prävention erhöht langfristig die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer, verhindert die primären und sekundären Kosten für lange Ausfallzeiten und burnoutassoziierte Überlastungserscheinungen und steigert die Attraktivität als Arbeitgeber.

Das Slow Media Institut bietet hierzu:

► Einen Beratungsprozess mit Gefährdungseinschätzungen, Interventionsempfehlungen,  Umsetzungsbegleitung, Studien und Evaluation

►Zertifizierungvorbereitung auf die Zertifizierung durch TÜV Rheinland (Pressemeldung zur Kooperation von Slow Media Institut mit TÜV Rheinland)

► Workshops und Weiterbildung für Mitarbeiter, Teams und Führungskräfte

► Schulung für Beauftragte für Digitalen Arbeitsschutz

► Fortbildung für Personalverantwortliche, Betriebsräte und Betriebsärzte

► Forschungskooperationen basierend auf einem Methodenmix aus quantitativen und qualitativen Ansätzen der Medien-, Trend-, Sozial- und Marktforschung

Willkommen in der digitalen Arbeitswelt

Zentrale Aspekte des Slow Media Ansatzes sind eine verantwortliche Mediennutzer-Haltung, die beherzte Nutzung digitaler Errungenschaften und die zunehmende Notwendigkeit der Rauschreduktion und der Fokussierung in der Mediennutzung. In der heutigen Arbeitswelt gewinnen diese Faktoren zunehmend an Bedeutung. Gerade im Bereich der Arbeit sind mit der rasanten technologischen Entwicklung neben den Möglichkeiten auch die Notwendigkeit des medial verantwortlichen Handelns und adäquater Mediennutzungskompetenz signifikant gestiegen.

Während es im Arbeitsschutz für die Ergonomie von Bildschirmarbeitsplätzen konkrete Richtlinien zu Flimmerfrequenz und Lichteinfall gibt, fehlen solche Vorgaben bisher für die Nutzung digitaler Medien.

Diese Lücke schließen wir mit IDA. Das Interaktionsmodell Digitaler Arbeitsschutz (IDA) führt die medienwissenschaftliche Perspektive in den betrieblichen Gesundheitsschutz ein. Die Kurzform IDA passt auch deshalb so gut, weil der Vorname “Ida” etymologisch von der althochdeutschen Silbe id mit der Bedeutung “Arbeit, Werk” abstammt. Die angelsächsiche Etymologie belegt für Ida die Bedeutungen “hardworking, prosperous, happy“. Ein Dreiklang, dem wir uns gerne anschließen.

Gesund arbeiten und führen im digitalen Zeitalter

Zahlreiche Studien des letzten Jahres belegen die Zunahme langer Ausfallzeiten bei Arbeitnehmern, als deren Ursache digital getriebene Verfügbarkeit, Flexibiliserung der Arbeitswelt und ein Aufweichen der Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben gesehen wird – so z.B. der AOK-Fehlzeitenreport 2012, der Stressreport 2012 der Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin, die Studie der BKK sowie der Bericht der Deutschen Rentenversicherungen.

Wie im Brennglas bildet sich in der Nutzung digitaler Medien das Kommunikations- und Führungsklima eines Unternehmens ab. Darauf aufbauend haben wir ein Beratungsmodell aus medienwissenschaftlicher Perspektive entwickelt, das den verantwortlichen und gesunderhaltenden Umgang mit digitalen Medien im Arbeitsumfeld und damit ein positives Leistungsklima in Unternehmen fördert. Der Slow Media Ansatz zeigt sich dabei als geeignetes diagnostisches Werkzeug und Handlungsinstrument, so dass Gefährdungen realistisch eingeschätzt und konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden können.

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass der Erfolg digitaler Arbeitsschutzmaßnahmen maßgeblich von dem konstruktiven Interagieren dreier Ebenen abhängt, die relevanten Einfluss auf das mediale Klima eines Unternehmens und damit auf seine möglichen gesundheitlichen Auswirkungen haben:

Die erste Ebene: Individuelles Nutzungsverhalten

Das Nutzungsverhalten des Einzelnen ist der erste Ansatzpunkt. Der Mediennutzer ist sowohl Medien-Rezipient als auch Produzent. Er bringt Informationen hervor und leitet sie an Kollegen weiter. Der technologische Fortschritt verlangt in besonderem Maße verantwortliche und bewusste Nutzerentscheidungen und ein Umlernen bisherigen Nutzungsverhaltens. Das Filtern, Auswählen und Fokussieren gewinnt an Bedeutung. Wer sich selbst als Empfänger und Sender von Informationen verstehen kann, kann diese Aufgabe im Hinblick auf die Auswirkung auf das mediale Klima des gesamten Unternehmens mit der gebotenen Verantwortung zu übernehmen.

Die zweite Ebene: Team

Die Organisation der Arbeitsabläufe ist ein wichtiges Feld, in dem präventiv agiert werden kann. Viele der Maßnahmen kann der Einzelne nach entsprechender Meinungsbildung für sich beschließen und alleine umsetzen. Eine Reihe von positiven Veränderungen aber müssen Arbeitnehmer mit ihren Kollegen und Vorgesetzten absprechen und vereinbaren, um sie realisieren und auf lange Sicht in ihrem Arbeitsumfeld etablieren zu können.

Die dritte Ebene: Führung

Wenn Unternehmen und Führung entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, haben sie großen Einfluss auf das mediale Klima im Unternehmen und damit auch auf das tatsächliche Verhalten der Arbeitenden. Für das positive Leistungsklima eines Unternehmens ist es wichtig, dass sich Arbeitnehmer nicht medial verausgaben und in der Lage sind, fokussiert zu arbeiten. Wenn diese Rahmenbedingungen bestehen, dann trifft die Verhaltensänderung der Arbeitenden auf einen Resonanzraum, einen Nährboden, der verantwortliches und medial gesundes Verhalten trägt und fördert.

Je mehr dieser drei Ebenen eine mediale Schutzmaßnahme im Unternehmen tragen, umso erfolgreicher ist der Transfer in den Arbeitsalltag und umso tiefer wird sie in der Unternehmenskultur verwurzelt.

 

Kontakt

Tel. +49(0)228-90 85 750
sabria.david@slow-media.net
www.slow-media-institut.net

Entschleunigung am Arbeitsplatz – Slow Media als Burnout-Prävention

“Slow Media can be understood as both a philosophy and a practice”, schreibt Prof. Jennifer Rauch in ihrer Studie über Slow Media. Unser Slow Media Ansatz ist zugleich eine inspirierende Theorie und ein praktizierbares Konzept, das für viele Problemstellungen des digital getriebenen gesellschaftlichen Wandels vernünftige Lösungsansätze bietet. Die Potentiale der Informationstechnologie für Unternehmen ist immens. Weltweit sind eine Milliarde Smartphones im Einsatz. In der dadurch gewonnenen Flexibilität liegt eine große Chance für neue Arbeitskulturen.

In Zukunft wird es darum gehen, “angemessene Reaktionen auf diese Medienrevolution zu entwickeln – sie politisch, kulturell und gesellschaftlich zu integrieren und konstruktiv zu nutzen”, schrieben wir in der Präambel unseres Manifestes und hatten dabei natürlich auch die Praxis im Blick. In diesem Sinne stehen wir mit Slow Media für eine zugleich beherzte wie verantwortliche Nutzung neuer Medien.

Vor allem im Bereich der zwischen globalen Anforderungen sich aufreibenden Arbeitswelt sind funktionierende Konzepte dringend notwendig. Potentiale und destruktive Aspekte der digitalen Verfügbarkeit und Flexibilisierung liegen hier besonders nahe beieinander. Die von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften (z.B. im Rahmen des AOK Fehlzeitenreports 2012) mit klaren Zahlen festgestellte Zunahme an Belastungs- und Burnout-Erkrankungen mit hohen Ausfallzeiten sprechen eine eindeutige Sprache.

Wir bieten für Unternehmen und Institutionen forschungsgebundene Weiterbildung und Beratung zu medialem Arbeitsschutz, schätzen Gefährdungen ein und geben Handlungsempfehlungen sowohl für Verhaltens- wie Verhältnisprävention.

Ein Element medialer Gesundheitsprävention im Arbeitsumfeld sind unsere Workshops. Bereichs- und hierarchieübergreifend oder in Realteams werden konkrete individuelle und Team-Handlungspläne entwickelt und vereinbart, um die Grundlagen für einen Kulturwandel im Unternehmen zu schaffen.

Workshop “Entschleunigung am Arbeitsplatz – Slow Media als Burnout-Prävention”

Thema des Workshops  ist der verantwortungsvolle und gesunderhaltende Umgang mit neuen Medien. Der Workshop wird geleitet von der Medienwissenschaftlerin Sabria David, Mitgründerin und Leiterin des Slow Media Instituts.

Entschleunigung und Effizienz

Die Welt hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert, sie ist schneller und effektiver geworden, aber auch getriebener und gehetzter – mit gravierenden Auswirkungen auf Arbeitsleben und Unternehmen. Wichtig ist es, hier frühzeitig gegenzusteuern, um negative Auswirkungen durch Burnoutfälle zu vermeiden. Zu den primären Kosten der Ausfallzeiten kommen die sekundären durch die Überlastung der verbleibenden Mitarbeiter und Einflüsse auf Motivation und Betriebsklima hinzu.

Entschleunigung ist – richtig eingesetzt – eine effektive Methode, um die Handlungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter langfristig zu stärken.

  • Mitarbeiterzufriedenheit, Teamgeist und Effizienz steigen an.
  • Fluktuation, Fehlerhäufigkeit und Ausfallzeiten gehen zurück. 

Der Weg aus der Spirale

Mit dem technologischen Fortschritt steigt die Verantwortung für die Nutzung der Technik und für den Aufbau einer nachhaltigen Führungs- und Kommunikationskultur. Verantwortliches, gesunderhaltendes Verhalten kann auf drei Ebenen auf Unternehmen einwirken:

  • auf individueller Ebene
  • auf Ebene von Teams/Abteilungen
  • und auf Führungsebene

Die Teilnehmer des Workshops üben, die Potentiale digitaler Medien konstruktiv statt destruktiv zu nutzen und berufliche Herausforderungen souverän anzunehmen.

Themen des Seminars

  • Die Technik beherrschen lernen
  • Entschleunigung als gesunder Weg zwischen Über- und Unterforderung
  • Technologische Entwicklung und Verantwortung
  • Umgang mit Verfügbarkeitskult
  • Kettenreaktion der Hektik unterbrechen
  • Postdigitale Rückzugsräume
  • Nutzung sozialer Medien
  • Medienrauschen filtern
  • Erstellung konkreter und individueller Handlungspläne

Der inhouse Workshop dauert 8 Stunden.
Er richtet sich an Mitarbeiter und Führungskräfte von Unternehmen und Institutionen.
Die Teilnehmerzahl beträgt 10-15.

Kontakt

Tel. +49(0)228-90 85 750
sabria.david@slow-media.net
www.slow-media-institut.net

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Weiterlesen? Hier ein Blogbeitrag zum Thema: “Revolution, Entschleunigung und Vatis Smartphone

Zeiten des Wandels

Melchior Lorck: "zu Venedig dem Lebend nach gemacht" 1555

Unsere Gesellschaft befindet sich auf der Schwelle. Es ist zu spüren, dass bisherige Mechanismen, Techniken und Modelle nicht mehr so recht funktionieren – aber verlässliche neue Strukturen haben sich noch nicht entwickelt. Alte und neue Konzepte, bisherige und zukünftige Kulturtechniken konkurrieren um die Deutungshoheit. “Zurück zum Bewährten!” rufen die einen “Vergesst was gewesen ist! Das Neue erlöst uns!” rufen die anderen.

Aber so einfach ist es nicht. Wir müssen genau hinsehen, die Mechanismen des Wandels untersuchen und daraus konstruktive neue Modelle entwickeln. Das verlangt Mut, Neugier und Experimentierfreude. Es sind aufregende und spannende Zeiten. Im Schwimmen der Konturen lassen sich aber, wenn man genau hinsieht, neue Muster und Strukturen finden, aus denen man vielleicht die Zukunft lesen kann.

Das Slow Media Institut befasst sich mit dem digitalen Wandel und seinen technologischen, soziologischen, kulturwissenschaftlichen, politischen, philosophischen, medientheoretischen und medienpraktischen Aspekten. Es sucht die positiven Potentiale in technologischen Entwicklungen, wägt Risiken ab, führt internationale Experten, Praktiker und Theoretiker aus verschiedenen Kontexten zusammen und möchte mit Forschung, Beratung und Workshops einen Beitrag zum konstruktiven Umgang mit dem Wandel leisten. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist das Slow Media Manifest, das in den zwei Jahren seit seiner Entstehung auf digitalem, mündlichem und schriftlichem Weg durch 28 Länder und viele Sprachen gereist ist.

À table!

Eine der Absichten unseres Medienwandel-Instituts ist es, neue Erzählformen zu erforschen und zu entwickeln. Drüben im Slow-Media-Blog haben wir uns schon des öfteren mit verschollenen Genres und Medienformaten befasst; mit der Frage, ob sie obsolet sind und unter welchen Bedingungen und als was sie wiederkommen werden. Wir stehen durch den digitalen Wandel vor einer Renaissance diskursiver Formate. Vor diesem Hintergrund fragen wir uns, ob nicht auch möglich ist, Forschung neu – und in neuen Formaten – zu denken.

Das Tischgespräch ist solch ein Genre, das wir für die Forschung gewinnen wollen: als einen Ort des Denkens und Auseinandersetzens, des konstruktiven Fürs und Widers unter den Fittichen eines gemeinsamen Mahles, das man unter Experten verschiedener Disziplinen teilt.

Bis es soweit ist, hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack:

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TISCHUNTERHALTUNG, f. unterhaltung bei tisch, vgl. Schultz höf. leben, 134 f.: jede tischunterhaltung sollte selbst ein kunstwerk sein, das auf gehörige art das mahl accompagnirte. Tieck 4, 70.

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 21

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“Ma non e cosi taciturni. A nostra tavola si parla, si discute, si raconta molto.”

Don Camillo und Peppone: Il compagno, 1963

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“Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. […] Ein solches Reden ist wahrhaft lautes Denken.”

Heinrich von Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, 1805

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Chevaliers de la table ronde

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“Über Tisch war Lenz wieder in guter Stimmung, man sprach von Literatur, er war auf seinem Gebiete”

Georg Büchner: Lenz, 1839

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Astérix et les Normands, 1967, Festmahl

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“Das Leben hier ist von tödlicher Einförmigkeit. Man disputiert über nichts, nicht einmal über Religion.”

Ferdinando Galiani an Baron von Holbach, 1770 (aus Neapel, fern der Pariser Salons)

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“Ich wollte von Leuten mit Geschmack gelesen und von erfahrenen Meistern umgesetzt werden”

Alexandre Dumas: Das Große Wörterbuch der Kochkunst, 1872

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Reaktionsfähigkeit und Medienevolution

Politik und konventionelle Medien haben im Januar und Februar eine Gemeinsamkeit gezeigt: Sie einte ein sonderbares Zaudern, ein Ausbleiben von Handlungswillen oder -fähigkeit in Bezug auf die politische Lage in Ägypten. Etwas schien sie daran zu hindern, in der Ägyptenfrage zu handeln oder Stellung zu beziehen. Konnte man ihnen in den ersten Tagen noch zu Gute halten, dass sie die Lage erst einmal abwarten, um nicht nicht in Aktionismus zu verfallen (ein legitimer Ansatz), so war doch irgendwann der Zeitpunkt gekommen, an dem eine Reaktion fällig gewesen wäre.

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